Harald Unfried, Rolf Haucke und Dr. Stephan Schulmeister SPD im Dialog
Wirtschaftsforscher Dr. Stephan Schulmeister diskutierte mit Harald Unfried über Vorschläge zur Überwindung der Finanzkrise
Wirtschaftsforschung und Lehraufenthalte an der University of New York, University of New Hampshire, in Berlin und an der Wirtschaftsuniversität in Wien waren einige der beruflichen Stationen des prominenten Gastes der Landshuter SPD, Dr. Mag. Stephan Schulmeister. Der 65jährige Wiener Ökonom folgte einer Einladung der Landshuter SPD, um mit dem Bundestagskandidaten Harald Unfried über Wege aus der Euro- und Finanzkrise zu diskutieren. Im neuen Tagungssaal der Arbeiterwohlfahrt stellte Harald Unfried die Pläne der SPD zur Bändigung und Zähmung der Finanzmärkte vor. Die Diskussion wurde vom Vorsitzenden der AG 60plus, Rolf Haucke moderiert.
Der stellvertretende SPD-Stadtvorsitzende Gerhard Wick begründete im Rahmen seiner Begrüssung seine Einladung des Wiener Ökonomen damit, dass dieser zu den Ausnahmeökonomen zähle, die nicht erst seit Ausbruch der globalen Finanzkrise im Herbst 2008 Konzepte zur Regulierung der Finanzmärkte vorgelegt hätten. Vielmehr habe sich Schulmeister schon lange vor der Krise mit detailliert ausgearbeiteten Vorschlägen für eine sog. Finanztransaktionssteuer großes Renommee erworben.
In seinen Ausführungen begründete Stephan Schulmeister weshalb die immer noch akute Eurokrise letztlich auf die desaströse "finanzkapitalistische Spielordnung" zurückzuführen sei, die in den letzten 20 bis 30 Jahren von den ökonomischen und politischen Eliten durchgesetzt worden sei. Denn die schrittweise Entfesselung der Finanzmärkte verlagerte das an sich gesunde unternehmerische Gewinnstreben weg von der Realwirtschaft hin zur spekulativen Finanzwirtschaft. Als der fiktive Charakter der Finanzforderungen mangels realwirtschaftlicher Deckung offenbar wurde und die Spekulationsblase platzte, musste der Staat mit Rettungs- und Konjunkturpaketen notgedrungen den wirtschaftlichen Zusammenbruch abwenden. Doch damit seien die Ursachen der Krise noch lange nicht beseitigt. Denn die falsche Spielanordnung bleibe bislang trotz einiger erster Fortschritte im Kern unangetastet. Der Preis für die staatlichen Rettungspakete bestehe allerdings im sprunghaften Anstieg der Staatsverschuldung. Die in den letzten Jahre zu beobachtende Anstieg der Staatsverschuldung sei nicht darauf zurückzuführen, dass die Menschen über ihre Verhältnisse gelebt hätten, sondern auf die globale Finanzkrise. So hätten etwa Spanien und Irland im Vorfeld der Finanzkrise ihre Staatsverschuldung deutlich abgebaut. Da nun jedoch im Zuge der staatlichen Rettungsmaßnahmen die Verschuldung anstieg, begannen die Finanzmärkte plötzlich gegen die Staaten zu spekulieren, die sie gerade erst gerettet hätten. Und nahmen sich mit Griechenland zunächst das schwächste Glied der Eurozone vor. Seit nun jedoch den Griechen drastische Sparmaßnahmen verordnet wurden, sei dort die Lage beinahe aussichtslos geworden. Mit reiner Sparpolitik könne eine nachhaltige Gesundung von Wirtschaft und Staatsfinanzen nicht gelingen, so Schulmeister. Der von Angela Merkel eingeschlagene Weg, mit Sparpaketen und Schuldenbremsen europaweit die Ausgaben zu kürzen, werde die Eurokrise daher noch vertiefen. "Der europäische Fiskalpakt ist eine der grössten politischen Fehlleistungen seit Jahrzehnten", meinte Schulmeister mit Blick auf die verordnete Spar- und Austeritätspolitik. Denn wenn in der EU alle Regierungen versuchten, ihre Defizite durch Senkung der Ausgaben zu reduzieren, werde dies Konsum und Wirtschaft schwer in Mitleidenschaft ziehen und eine europaweite Rezession auslösen. Durch das gleichzeitige Sparen grüben sich die EU-Staaten gewissermaßen gegenseitig das Wasser ab. Infolge des wirtschaftlichen Einbruchs würden dann die Staatseinnahmen sinken, sodass die Defizitziele mit der Sparpolitik gar nicht erreicht werden könnten. Dies könne man heute schon an Beispielen Griechenland oder Spanien nachvollziehen. Ein wirtschaftspolitischer Kurswechsel sei daher dringend erforderlich, damit sich der Fiskalpakt nicht zum Sprengsatz für den Euro entwickle. Notwendig sei ein "New Deal" für Europa, so Schulmeister. Eine nachhaltige Lösung könne nur darin bestehen, dass die Staaten tatsächlich in die Lage versetzt würden, ihre Schulden zu bedienen. Dies setze aber zwingend ein stabiles und merkliches Wirtschaftswachstum voraus. Hierzu müssten die Staaten der Wirtschaft aber Impulse geben, statt sie mit Spardiktaten zu strangulieren. Mit einem europaweit koordinierten Vorgehen für mehr Investitionen etwa in Umwelt und Infrastruktur müsse die Wirtschaft gestärkt werden. Mit der Einführung einer Finanztransaktionssteuer könnte die kurzfristige Spekulation massiv verteuert und gedämpft werden. Gleichzeitig wäre der fiskalische Ertrag für die Staaten erheblich. Zur Stabilisierung der Finanzlage müssten die Staaten zudem den Einkommensstärksten und Besitzern großer Finanzvermögen spürbare Konsolidierungsbeiträge abverlangen. Und dies nicht nur aus Gerechtigkeitsgründen, sondern weil es gesamtwirtschaftlich geboten sei, mit diesen Geldern die Wirtschaft zu stimulieren. Europa stehe jetzt am Scheideweg. Die Eurokrise könne wie jede andere hartnäckige Wirtschaftskrise nur durch eine massive, wenn auch vorübergehende Erhöhung der Staatsaktivität überwunden werden. Diesen Weg müsse die Politik gehen, wenn der Euro erhalten und stabilisert werden solle. Andernfalls drohe der Euro zu scheitern. Deutschland wäre dann mit seiner exportfixierten Wirtschaft der Hauptleidtragende, so Schulmeister.
SPD-Bundestagskandidat Harald Unfried erläuterte die Pläne der Sozialdemokraten für eine neue Finanzmarktarchitektur. Diese dürfe nicht nur an den Symptomen der Krise herumkurieren, sondern müsse an den eigentlichen Ursachen der Krise ansetzen. Um die Finanzmärkte effektiv zu regulieren und den großen systemrelevanten Banken ihr Erpressungspotential zu nehmen, habe der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück ein umfassendes Konzept vorgelegt. Der Kern des Steinbrück-Planes bestehe darin, einen europäischen Abwicklungsfonds für die systemrelevanten Banken einzurichten, aus denen im Krisenfall Restrukturierungen finanziert werden könnten. Der Bankenfonds müsse dabei von den großen Banken selbst mit einer entsprechenden Abgabe finanziert werden, damit im Falle einer Bankeninsolvenz nicht mehr auf die Steuerzahler zurückgegriffen werden müsse. Als Zielvolumen des Bankenfonds wird ein Betrag von mindestens 200 Mrd. Euro benötigt. Zusätzlich wolle die SPD mit Peer Steinbrück das riskantere Investmentbanking vom klassischen Bankgeschäft abtrennen. Den Geschäftsbanken solle demzufolge jedweder spekulativer Eigenhandel untersagt sein. Die Investmentbanken können zwar noch Eigenhandel betreiben, bekommen aber keinen Zugang mehr zum Zentralbankgeld und dürfen keine Einlagen entgegennehmen.
Die SPD werde auch den Schattenbanken den Kampf ansagen, indem alle Infektionskanäle von den Banken zu den Schattenbanken trockengelegt würden. Dazu gehöre das Verbot der Kreditvergabe oder der Beteiligung von Banken an Finanzinstituten, die Eigenhandel betreiben ( z. B. Hedge Fonds). Alle Geschäfte müssten künftig an Börsen gehandelt werden, um mehr Transparenz zu schaffen. Die Spekulation von Finanzinstituten mit Agrarrohstoffen und Nahrungsmittel soll nach dem Willen der SPD komplett verboten werden.