Gerhard Wick referierte bei SPD-Arge über Tunesien und seine Demokratie
Auch Arbeitnehmer sollten „über den eigenen Tellerrand hinausschauen“ und den Blick für die Verhältnisse im Ausland schärfen. Mit diesen Worten stimmte Rolf Haucke, Vorsitzender der SPD-Arge „60 plus“, auf den Vortrag von Gerhard Wick ein, der über den sozialen Dialog in Tunesien referierte. Und dabei gab er deutlich zu verstehen, dass in diesem Land das duale Ausbildungssystem erst geschaffen und auch eine partnerschaftliche Zusammenarbeit von Gewerkschaften und Arbeitgeber erst erlernt werden müssen.
Diese Versammlung der Senioren im Landshuter AWO-Saal eröffnete die SPD-Stadtverbandsvorsitzende Anja König. Sie appellierte an die Anwesenden, für eine Politik von mehr sozialer Gerechtigkeit in Deutschland einzutreten. Nach ihrer Auffassung ist die SPD als Partei wieder eine feste Größe. Dazu hat im wesentlichen auch die Bereitschaft von Martin Schulz beigetragen, als Kanzlerkandidat anzutreten. Damit hat er viele Mitbürger begeistert. Weiter prangerte Anja König auch die Verwerfungen im Niedriglohnbereich und die teils zu niedrigen Renten an, deren Höhe oft nicht zum Leben reichen würde.
Mit einigen Daten verglich Gerhard Wick, einst 1.Bevollmächtigter der IG Metall, zunächst die Struktur und Wirtschaft Tunesiens und Deutschlands. Das Land habe etwa so viel Einwohner wie Bayern. Ein duales Ausbildungssystem wie hier in Deutschland fehle. Angesichts der dort verschulten Ausbildung bestehe in Tunesien ein großer Mangel an gut ausgebildeten Handwerkern.
Die Revolution 2011 hat zwar mehr Demokratie gebracht, aber inzwischen auch zu einem personell aufgeblähten Staatsapparat mit annähernd 700 000 Bediensteten geführt. Die Wirtschaftslage ist äußerst prekär. Jeder Zweite der unter 30jährigen, die auf den Arbeitsmarkt drängen, ist arbeitslos. Notwendig wäre deshalb in diesem Land auch eine Veränderung der Strukturen. Das scheitert aber schon daran, dass rund 40 Prozent der Staatsausgaben für den Schuldendienst erforderlich sind. Dazu ist auch noch eine „Schattenwirtschaft“ von annähernd 50 Prozent vorhanden.
Erst im Jahre 2014 konnte eine demokratische Verfassung in Kraft treten. Besondere Anerkennung verdient hier das gemeinsame Bemühen der Gewerkschaften, der Arbeitgeber, der Liga für Menschenrechte und des Anwaltsvereins für den Erhalt des inneren Friedens. Deshalb wurde der Dialog dieses Quartetts auch mit der Verleihung des Friedensnobelpreises belohnt.
Ein Arbeitsgesetzbuch und landesweit geltende Tarifverträge regeln – zumindest auf dem Papier – die Rechte und Ansprüche der Arbeitnehmer. Trotzdem ist das Lohnniveau recht niedrig, da das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner nur etwa ein Zehntel des deutschen Wertes beträgt. Deutsche Firmen, wie beispielsweise Dräxlmeier, beschäftigen in Tunesien rund 60 000 Arbeitnehmer. Und hier konnte Kreisrat Gerhard Babl auch über seine Erfahrungen aus seinen früheren beruflichen Aufenthalten in Tunesien berichten. Schließlich stellte Gerhard Wick auch eines klar: Eine weltweite Verbesserung der Arbeitsbedingungen sichert auch die in Deutschland vorhandenen Arbeitsplätze.
Nach Überzeugung von Gerhard Wick, der öfters beratend für die IG Metall in Tunesien weilt, muss dieses Land seinen eigenen Weg finden. Dazu seien aber strategische Ziele notwendig. Eines davon ist der Aufbau einer verantwortungsvollen Arbeitnehmervertretung. Nicht die Konfrontation, sondern die Sozialpartnerschaft wie in Deutschland muss erst erlernt werden. Dazu gehöre nun einmal auch das Verhandeln von Gewerkschaften und Arbeitgeber. Unabhängig davon verwies Gerhard Wick auch auf die Arbeit der Stiftungen deutscher Parteien in Tunesien, die in diesem Land mithelfen würden, den demokratischen Weg zu stärken.
Bild: Gerhard Wick (links), hier mit der Stadtverbandsvorsitzenden Anja König, Kreisrat Gerhard Babl und Arge-Vorsitzendem Rolf Haucke, referierte über Tunesien
Besucher: | 1205349 |
Heute: | 156 |
Online: | 7 |